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Teilprojekt D10


Bilderkrieger und Bilder des Krieges. Kriegsfotografen als Helden und Heldenmacher im Zweiten Weltkrieg

Teilprojektleitung: Prof. (apl.) Dr. Cornelia Brink; Mitarbeiterin: Vera Marstaller

 

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Ziel des Teilprojektes war es, mit der sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts etablierenden Kriegsfotografie Herausforderungen, denen das Heroische in seinen jeweiligen Gegenwarten ausgesetzt ist, in den Blick zu nehmen. Das Teilprojekt umfasste zwei Arbeitsvorhaben. Beiden lag die Leitfrage zugrunde, welche spezifischen Zeiterfahrungen das Massenmedium Fotografie erkennbar machen kann, wenn man das Kollektiv heroisierter Kriegsfotografen und ihre Bilder von Held*innen als Effekt von eigenen und ihnen von außen zugeschriebenen Projektionen und Identifikationen versteht. Der Zweite Weltkrieg bot sich als Untersuchungszeitraum an, weil hier die Kriegsfotografie als Teil einer ‚Propagandawaffe‘ in bis dahin nicht gekanntem Umfang institutionalisiert wurde, über illustrierte Zeitschriften eine hohe Verbreitung fand, Heroisierungen dabei eine wichtige Rolle spielten und Fotografien bis heute die visuelle Erinnerung an diesen Krieg prägen. Arbeitsvorhaben A (Cornelia Brink)  arbeitete (1.) aus einer Zusammenstellung heterogener Fotomotive und -anlässe aus dem Zweiten Weltkrieg visuelle Konstellationen heraus, die der Wahrnehmung der Zeitgenoss*innen im nationalsozialistischen Deutschland näher kommen als es die gängige fachwissenschaftliche Spezialisierung für bestimmte Bildmotive und fotografische Genres nahelegt, und diskutierte (2.) am Beispiel einer Fotografie aus dem ersten Irakkrieg Methodenfragen einer interdisziplinären Bildforschung zu Aufnahmen extremer Gewalt. Arbeitsvorhaben B (Dissertationsprojekt Vera Marstaller) analysierte die (Widersprüchlichkeiten der) Heroisierungsstrategien fotografischer Repräsentationen der deutschen Wehrmacht in der illustrierten Massenpresse zur Zeit des Zweiten Weltkriegs im Zusammenhang mit der Heroisierung der Propaganda-Kompanie-Fotografen.

Um die Komplexität sowohl der NS-Propaganda als auch der alltäglich sicht- und erfahrbaren Bildwelten des Heroischen erkennbar zu machen, die in der Erinnerungsgeschichte nach 1945 auf wenige Bildmotive und Akteure reduziert wurde, spannte das Teilprojekt für exemplarische Fälle ein möglichst breites Netzwerk fotografischer Heldenkonstruktionen auf. Beide Arbeitsvorhaben wählten hierfür einen medienhistorisch fundierten, quellenkritischen Zugang zu publizierten Propagandafotografien sowie zu Amateurfotografien bzw. zu Aufnahmen aus professionellen Fotostudios.

Arbeitsvorhaben A fügte in einem Aufsatz verschiedene Motivgruppen fotografischer Heldenrepräsentationen (Frontfotografie, Totengedenken, Porträtfoto) zusammen und analysierte zeitgenössische Bilderwelten und Rezeptionsangebote.

Arbeitsvorhaben B brachte mit Heldenforschung, Fotogeschichte und Zeitgeschichte des Zweiten Weltkriegs drei Perspektiven zusammen, um zu untersuchen, welche Heldenerzählungen dokumentarische Fotografien in ausgewählten illustrierten Zeitschriften den Betrachter*innen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in Deutschland anboten. Die junge Dame, die Berliner Illustrierte Zeitung sowie Die Wehrmacht wurden mit Hilfe einer Datenbank systematisch erfasst und in Anlehnung an die Methode der visuellen Diskursanalyse untersucht. Die Ergebnisse boten die Grundlage, um exemplarisch für größere Bildgruppen einzelne Fotografien auszuwählen, diese in ihre synchronen wie auch diachronen Kontexte zu setzen und ihre ästhetischen Besonderheiten herauszuarbeiten. Dabei wurden die Bildmotive und -formen sowie die (Ausblendung der) Vielzahl der an Produktion, Publikation und Rezeption beteiligten Personen ebenso berücksichtigt wie intermediale Bezüge, etwa zwischen Fotos, Radiobeiträgen und Anzeigen.

Die Arbeit im Teilprojekt hat gezeigt, dass Fotografien, die dazu auffordern, das Gezeigte als für die jeweilige persönliche Gegenwart der Rezipierenden relevant wahrzunehmen, epistemologische Angebote zur Deutung sozialer Ordnungen schaffen. Es sind damit nicht die Relevanzkriterien wahr oder falsch, welche die Fotos den Betrachter*innen anbieten, sondern Fragen zu Norm, Idealität und Abweichung. Heroisierungsprozesse kommen dabei vor allem bei der fotografischen Repräsentation von Gewalt und Grenzgeschehen zum Tragen. Sie in den Blick zu nehmen, ermöglichte u.a. eine Ausweitung der Thesen Judith Butlers,[1] die auf die jeweilige Darstellung der Kriegsgegner als nicht betrauerbares Leben zielen. Die fotografische Repräsentation der eigenen militärischen Truppen, deren Verwundbarkeit und Tod in den Kauf genommen werden muss, kann durch Heroisierung überblenden, wie gefährdet das Leben wehrfähiger Männer (aber auch ziviler Frauen) im Krieg ist.

Arbeitsvorhaben A und B konnten zeigen, dass und wie die Kriegsgewalt als spezifische Form der Grenzüberschreitung legitimiert wurde und Kampf und Opferbereitschaft des deutschen Soldaten über das Medium Fotografie heroisierend überhöht wurden. Kriegsfotografien trugen außerdem dazu bei, dass sich traditionelle Vorstellungen von Helden, die sich als Einzelfiguren von einer namenlosen Masse abgrenzten, veränderten. Das Massenmedium Fotografie zeigte sich als äußerst produktiv, die Vorbildfunktion des nationalsozialistischen Deutschlands für Europa bis zum Kriegsende in ungebrochen kulturchauvinistischer Haltung in Szene zu setzen. Wer als Soldat und Mann Gewalt nicht nur (potenziell) erlitt, sondern auch ausübte, erfuhr in der illustrierten Massenpresse Heldenstatus. Diese Bildpolitik präsentierte den/die heldenhaften Soldaten zudem im alltäglichen Beziehungsgeflecht mit Frauen und Kindern und erschwerte damit nicht nur die Heroisierung von Frauen auch während der verstärkten Luftangriffe der Alliierten, sondern grenzte sich durch den Rekurs auf Bildwelten aus dem Ersten Weltkrieg auch von der Friedenszeit während der Weimarer Republik ab. Der als gleichwertiges Mitglied im Heldenkollektiv der Soldaten repräsentierte PK-Fotograf, dessen Autorschaft in den Zeitschriften mit seiner Bereitschaft verbunden wurde, für ein Foto zu sterben und auch zu schießen, verstärkte solche Rezeptionsangebote. Arbeitsvorhaben B zeigte damit auch die Ursprünge einer bis heute aufzufindenden glorifizierenden Erinnerung an die Wehrmacht und ihre Fotografen auf.

Die inhaltlichen wie methodischen Fragen, die D10 aufgeworfen hat, verweisen auf zukünftige Forschungen in allen untersuchten Arbeitsfeldern. Für die Geschichtswissenschaft zeigen die Ergebnisse, dass und wie die bisherige Bild(propaganda)forschung mit Blick auf den Zusammenhang von Akteur*innen, Bildmotiven und Rezeptionsmöglichkeiten erweitert und präzisiert werden sollte. Mit Blick auf die Heldenforschung bestätigt sich, dass technische Entwicklungen der industrialisierten Kriegsführung nicht nur das Bild des Kriegers veränderten, sie modifizierten gleichzeitig über die verstärkte Präsenz fotografischer Berichterstattung auch die Heroisierungsprozesse selbst. Produzierten Fotograf*innen Heldenbilder oder wurde die Entstehung ihrer Fotos als eine Heldentat wahrgenommen, dann standen ihre Fotos in einem bemerkenswerten Spannungsfeld zwischen Wahrheits- und Mythenproduktion. Damit bleiben (1.)



[1] Butler, Judith 2010: Raster des Krieges. Warum wir nicht jedes Leid beklagen, Frankfurt a.M.

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