Zurück zur Startseite

Felix W. Günther


Assoziiertes Mitglied
Geschichtswissenschaft, Universität Freiburg

Kontakt

felix.w.guenther@gmx.de

Dissertationsprojekt "Helden vor der Kamera"

Kriegskorrespondenten als personale Vermittlungsinstanzen in der deutschen Fernsehberichterstattung über den Kosovokrieg

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, und vor dem Hintergrund der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland, scheint soldatisches Handeln in der deutschen Gesellschaft kaum mehr heroisierbar. Die Lücke, die der Soldat hinterlässt, füllen nun diejenigen, die über das Leid der Kriegsopfer berichten und sich zu diesem Zweck (vermeintlich) selbst Gefahren aussetzen.

Hier setzt das Dissertationsprojekt an: Es geht davon aus, dass die TV-Kriegsberichterstattung als Heldentat medial vermittelt, und der Kriegskorrespondent (als Typus) zum Helden werden kann. Als personale Vermittlungsinstanz zwischen Kriegsgeschehen (sowie dessen Folgen) und Fernsehpublikum begibt er sich an (scheinbar) gefährliche Orte, berichtet vor der Fernsehkamera, auf deren Aufzeichnungen das Fernsehpublikum gefahrlos und in Echtzeit dann seinen Blick richten kann. Als heldenhafter Kämpfer gegen Zensur und Schikanen militärischer wie ziviler Instanzen, so das Narrativ, stellt er sich in den Dienst von Humanität und Aufklärung. Der Kriegskorrespondent ist dabei Subjekt und Objekt seiner Darstellung des Krieges zugleich; auf Vermitteltes (die Nachricht) und Vermittelnden (der Korrespondent) wird gleichzeitig und gleichwertig Bezug genommen. Auf visueller Ebene besteht, neben dem ‚Live-Faktor‘, in der Anwesenheit vor Ort eine zentrale Beglaubigungsstrategie des zu Vermittelnden – sie liefert den Ansatzpunkt, um nach Heroisierungsstrategien zu fragen.

Die Phasen, Etappen sowie Umbrüche „Neuer Kriege“ (Herfried Münkler) sind eng mit der Definitionsmacht der Fernsehberichterstattung verzahnt: Durch sie können im Vorfeld des Krieges Gegner und Verbündete definiert, während des Kriegsverlaufs Kampfhandlungen legitimiert oder de-legitimiert und schließlich auch deren Ende markiert werden. Wie reagieren die Kriegskorrespondenten auf die Herausforderung, dem räumlich und zeitlich kaum mehr zu überblickenden, oftmals schwer zugänglichen Kriegsgeschehen „Neuer Kriege“ für das Format der telemedialen Darstellung eine Ordnungsstruktur zu verpassen? Konkreter: Was bedeutet ‚vor Ort‘ in diesem Zusammenhang, bzw. wo und wie wird Krieg hier visualisiert? Wie und wozu werden Kriegskorrespondenten in diesen Darstellungen heroisiert und welche Erwartungen sowie Wünsche, welche Selbst- und Fremdbilder können mit diesen Heroisierungen verbunden werden? Auf welche früheren Bildmuster des Heroischen wird hierfür zurückgegriffen und welche heroischen Figurationen treten (neu) auf? Wo zeichnen sich Brüche ab? Und wie beziehen sich die Kriegskorrespondenten auf die „alten“ Helden, die Soldaten bzw. anderen Kombattanten? Es geht hierbei nicht darum, den empirischen Wirkungsgrad dieser TV-Darstellungen zu bemessen, sondern um Wirkungspotentiale des Dargestellten in einem spezifischen audiovisuellen Medium: Was wird vermittelt, wie wird es vermittelt und – sofern es sich überprüfen lässt –was wird nicht vermittelt?

Zur Beantwortung dieser Fragen soll die Berichterstattung über den Kosovokrieg im deutschen Fernsehen untersucht werden. Der Kosovokrieg war nicht nur der erste Angriffskrieg der NATO, an dem sich auch deutsche Soldaten beteiligten, sondern ebenso der erste „Cyber- und Medienkrieg“ (Gerhard Paul), in dem Datensätze und Medien als Subjekte wie als Objekte eine kriegswichtige Rolle spielten.

Das Projekt zielt darauf ab, mit der telemedialen Darstellung von Kriegskorrespondenten ein zeitgeschichtliches Phänomen des Heroischen zu beleuchten, welches es sowohl in den Kontexten medialer Eigenlogiken (dem Bedürfnis nach personalen Vermittlungsinstanzen; ökonomischen Wettbewerbszwängen), technischer Inventionen (der Entwicklung portabler Tonfilmkameras; Satellitenfernsehen) sowie den Bedingungen der Kriegführung in „Neuen Kriegen“ zu verorten gilt. Aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive soll damit außerdem ein Beitrag zu den bisher noch wenig erschlossenen Themenkomplexen Krieg und Fernsehen im Allgemeinen, und insbesondere zum Kosovokrieg, geleistet werden.

Anmeldung
Der interne Bereich finden Sie nun auf der Teamplattform des SFB 948. Hinweise zum Login und zur Bedienung der Teamplattform finden Sie in diesem Dokument.