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Verena Gold


Verena Gold  

Stipendiatin
Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Universität Regensburg

Kontakt

verena.gold@sprachlit.uni-regensburg.de

Vita (Uni Regensbogen)


Dissertationsprojekt "Die ausgeschlossene Figur. Infame Zuschreibungen in der Literatur der frühen Siebzigerjahre"

 Das Dissertationsprojekt interessiert sich auf verschiedenen Ebenen für Prozesse der Infamisierung innerhalb einer modernen Gesellschaft. Es fragt nach Ausschlussverfahren und Abwertungsstrategien, die in literarischen Werken der Siebzigerjahre in Bezug auf die zeitgenössische Gesellschaft dargestellt werden, nach der ästhetischen und sprachlichen Gestaltung des Infamen in den entsprechenden Texten und nach den Mechanismen des Literaturbetriebs, auf die gesellschaftskritischen literarischen Stimmen zu reagieren, die häufig für sich selbst bereits eine Außenseiterposition reklamieren (oder denen eine solche zugewiesen werden kann).

Einerseits nimmt das Projekt also mit den Siebzigerjahren die Transformation der Nachkriegs- zur Gegenwartsgesellschaft in den Blick und befragt die deutsche und österreichische Gesellschaft auf ihre (neuen) Abwertungs- und Ausschlussstrategien. Andererseits interessiert es sich für die Voraussetzungen und Folgen der Statusveränderung eines einzelnen Subjekts: Statt des außerhalb und über der Gesellschaft stehenden Helden wird hier aber der außerhalb und unter der Gesellschaft stehende infame Mensch in den Fokus gerückt, wobei insbesondere das Moment seiner Infamisierung in der und durch die Gesellschaft abgebildet werden soll.
Die Analyse der literarischen Texte kann dabei nicht nur Aufschluss darüber geben, wie die „Entehrung“ eines einzelnen Gemeinschaftsmitgliedes grundsätzlich in einer Gesellschaft funktioniert und wie es zur Durchsetzung der Infamisierung kommen kann, sondern sie kann insbesondere nachweisen, welche raum- und zeitspezifischen Ausprägungen dieser Ausgrenzungsform in der Gesellschaft der Siebzigerjahre verortet werden können.

Die Zusammenarbeit mit dem SFB 948 „Helden – Heroisierungen – Heroismen“ leitet dabei die These an, dass Infamisierung und Heroisierung als Gesellschaftsverfahren in zentralen Punkten strukturell ähnlich ablaufen und sich auch durch gleichartige Leerstellen im Entstehungs- und ähnliche Freiräume im Entscheidungsprozess der Gesellschaft auszeichnen. Das Infame wird also, wie das Heroische auch, erst über den performativen Akt der Fremd- oder Selbstzuschreibungen konstruiert.
Der infame Mensch wird dazu, wie der Held, üblicherweise in der Ausübung einer bestimmten Tat erkannt, von dieser ausgehend wird sein Verhalten auf sein grundsätzliches Wesen, auf seine Natur zurückgeführt: Die Zuschreibung als „infam“ besetzt also, ja ersetzt sogar seine Beschreibung als Mensch mit verschiedenen Wesenszügen, sie ist dominant und dauerhaft (auf jeden Fall aber längerfristig) und verändert sofort seinen Status. In der Exklusion nach unten (infamer Mensch) wird, wie in der Exklusion nach oben (Held), der einzelne Mensch von der Gesellschaft separiert.
Während der Held aber meist als Vorbild kreiert wird oder seine Taten in Nacherzählungen mythisiert werden, zeichnet sich der ausgeschlossene infame Mensch – im Gegensatz zu den klassischen „Gegenfiguren“ des Helden, dem Monster, Schurken oder Verbrecher – durch absolute Ruhmlosigkeit genauso aus wie durch die Abwendung der Gesellschaft, die das Interesse an seiner Person verliert: Obwohl sich die Bewertung als „infam“ nach dem eigentlichen Akt der Zuschreibung zwar durch ein Sprechen über die betroffene Person konstituiert, bricht die Narration über ihre Tat oder ihr Leben nach kurzer Zeit ab.
Eine Untersuchung der Funktionsweise des Infamen muss sich also nicht zuletzt mit dem Heroischen auseinandersetzen, weil es dessen Mechanismen adaptiert (im Zuschreibungsprozess muss sich eine Figur als Entscheider und Handelnder generieren, was über ein Anzitieren heroischer Merkmale möglich ist), sich von ihnen abgrenzt (Infamie ist als Begriff nur ex negativo zu fassen: als Abwesenheit, Verlust, Herabsetzung der Ehre, die in der dichtesten Form auf den Helden verweist, der Zuschreibungsprozess der Infamisierung verläuft also in Abgrenzung zur Heroisierung) oder diese sogar ganz ausschaltet (die infame Figur ist durch ihre vollständige Ruhmlosigkeit nicht mehr auf dem Feld der Ehre oder gar auf dem Feld des Heroischen zu verorten, sondern setzt dieses außer Kraft).

Die Beschäftigung mit literarischen Texten der Zeit lohnt für die Fragestellung in mehrfacher Hinsicht: In ihnen wird die Infamisierung einzelner Figuren literarisch inszeniert und damit – häufig schrittweise und detailliert –sichtbar gemacht. In der Literatur ist aber auch die Möglichkeit gegeben, dort „weiterzuerzählen“, wo der gesellschaftliche Blick eigentlich abgewandt wird. Die infame Figur kann nach ihrem vollständigen Ausschluss also noch zu Wort kommen, zumindest wird aber ihr Verschwinden, ihre Abwesenheit in der „Rest-Erzählung“ sichtbar gemacht und in der Schrift dauerhaft sichtbar gehalten.

Akademischer Lebenslauf

2017 Forschungsstipendiatin am SFB 948 „Helden – Heroisierungen – Heroismen“
2015 - 2017
Lehrkraft für besondere Aufgaben am Lehrstuhl Neuere deutsche Literaturwissenschaft 2, Universität Regensburg
2013 - 2015

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Neuere deutsche Literaturwissenschaft 2, Universität Regensburg

 

2013 Tutorin am Institut für Germanistik, Universität Banja Luka, Bosnien-Herzegowina (Germanistische Institutspartnerschaft des DAAD)
2012 - 2013 Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl Neuere deutsche Literaturwissenschaft 2, Universität Regensburg
2010 - 2011 DFG-Projektstelle zur Katalogisierung der Schenkungen und des Nachlasses von Walter Höllerer, Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg
2010 Studentische Hilfskraft im Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg
2009 - 2012 Aufbaustudium der Germanistik, Universität Regensburg
2005 - 2009 Studium der deutschen Philologie, Vergleichenden Kulturwissenschaft und Politikwissenschaft, Universität Regensburg
Anmeldung
Der interne Bereich finden Sie nun auf der Teamplattform des SFB 948. Hinweise zum Login und zur Bedienung der Teamplattform finden Sie in diesem Dokument.