Zurück zur Startseite

Teilprojekt A5

Der ‚éclat‘ des Helden – Formen auratischer Repräsentation des Helden in Frankreich vom 17. bis zum 19. Jahrhundert

Teilprojektleitung: Prof. Dr. Andreas Gelz; Mitarbeiter: Jakob Willis

Projektdauer: 2012-2016 Bericht als PDF


Das Teilprojekt beschäftigte sich mit dem éclat (Glanz, Ausstrahlung[skraft]) als einer Artikulationsform des Heroischen in fiktionalen und nicht-fiktionalen Texten Frankreichs vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Traditionelle Lichtmetaphoriken aufgreifend beschreibt der Glanz des Helden nicht nur die Wirkung des Helden auf bzw. seine Wahrnehmung durch die Gesellschaft, er bezeichnet vielmehr eine wesentliche Qualität der Heldentat im Sinne einer action d’éclat, deren Öffentlichkeit er sicherstellt. Im Projekt standen neben historischen auch theoretische Gesichtspunkte im Vordergrund, prägt die Vorstellung vom strahlenden Helden doch bis heute das kollektive Imaginäre ebenso wie mediale Darstellungskonventionen des Heroischen. Die Produktivität des Untersuchungsansatzes zeigte sich nicht zuletzt an Untersuchungsergebnissen, die belegen, wie sehr der Begriff und seine Implementierung in dramatischen wie narrativen Texten auch Widersprüche und Ambivalenzen des Heroischen sichtbar werden lassen. Dem im Licht stehenden Held als Evidenz- und Leitfigur steht das geblendete Publikum gegenüber. Die semantische Kodierung eines heroischen Modells auf der einen Seite und dessen semantische Unbestimmtheit (Licht als ‚absolute‘ Metapher) überlagern sich. Moralische Vorbildhaftigkeit und der transgressive Charakter des Heroischen kommen auch in der Polysemie des Begriffs éclat, der auch den Skandal bezeichnet, zum Ausdruck. In zwei Aufsätzen des Teilprojektleiters aus dem Jahr 2015 wurden diese Fragen in historischer und theoretischer Perspektive – mit Blick auf das Phänomen der Deheroisierung – untersucht (Gelz 2015a, b). Eine Monographie mit dem Titel „Der Glanz des Helden“ (Gelz 2016a) ist erschienen.

Anhand umfangreicher Korpora fiktionaler und faktualer Texte der französischen Literatur des 17. bis 19. Jhs. wurden semantische Merkmale des Begriffs éclat im Kontext von Heldenkonzeption und Heldendiskurs, Heroisierung und Deheroisierung herausgearbeitet. So entstand ein Paradigma historischer Varianten der Begriffsverwendung, das erste Aufschlüsse über die Verbindung des Begriffs éclat zum historisch veränderlichen Phänomen des Heroischen zuließ. In der zweiten Arbeitsphase standen konkrete Verwendungsweisen des éclat in Texten unterschiedlicher Gattungen im Vordergrund. Verhandelt wurde bei der Analyse von repräsentativen Texten des französischen Theaters des 17. Jahrhunderts (Dissertationsprojekt) sowie der französischen Literatur vom 17. bis zum 19. Jahrhundert (Monographie des Teilprojektleiters) die Frage, wie bestimmte Vorstellungen des Heroischen, sofern sie im Begriff des éclat und verwandter Begriffe gefasst werden, erzähltechnisch und intermedial umgesetzt und damit zu einem Element literarischer Kommunikation werden. Während die „aesthetics of éclat“ in Renaissance und Barock noch weitgehend uniform sind – so ein zentrales Ergebnis –, verändern sich bereits in der Klassik, vor allem jedoch in der Frühaufklärung und Aufklärung im Zuge der gesellschaftlichen Neubewertung des Heroischen auch die Modi der literarischen Repräsentation des éclat. Im Rahmen des Dissertationsprojekts konnte herausgearbeitet werden, dass sich der éclat insbesondere in der Heldentum zunehmend kritisch beurteilenden Zeit nach der Fronde (1648–1653) von einer stabilisierenden Artikulationsform zu einer destabilisierenden Reflexionsform wandelte. In einer Reihe von Vorträgen und Artikeln des Projektmitarbeiters wurden Teilaspekte der Untersuchung und vor allem die in der Dissertation nicht im Vordergrund stehenden intermedialen Aspekte zur Diskussion gestellt (Posselt-Kuhli / Willis 2014, 2015; Willis 2014a, b; Willis 2015). Die gemeinsam mit Fr. Posselt-Kuhli veröffentlichten Artikel sind das Ergebnis einer fruchtbaren Zusammenarbeit des romanistischen mit dem kunstgeschichtlichen Teilprojekt B3 „Kunst-Held versus Kriegs-Held“ im Rahmen des SFB.

Eine Schwierigkeit der Analyse dieser Transformationsprozesse war es, das Phänomen des Glanzes bzw. der Ausstrahlung trennscharf auf verschiedene Figuren des Exzeptionellen (Helden, Herrscher, Heilige, Märtyrer) zu beziehen. Ungeachtet der Tatsache, dass viele Quellen auf der konstitutiven Verbindung von Heldentum und éclat bestehen, bedarf es mitunter der zusätzlichen Kontextualisierung, um einen heroischen Glanz als solchen verständlich zu machen. Diese ‚Entdifferenzierungshypothese‘ bereichert das Begriffsspektrum des Heroischen, etwa durch eine bis ins 19. Jh. reichende sakrale Prägung der Glanzmetaphorik, die den Helden ungeachtet aller säkularisierenden Tendenzen in den Abglanz göttlichen Lichts bzw. desjenigen einer transzendenten Autorität (Vernunft, Freiheit, Nation) stellt. Umgekehrt werden Figuren wie Herrscher, Heilige und Märtyrer durch ihre Beschreibung mit der auch im heroischen Kontext gebräuchlichen Glanzmetaphorik heroisiert.

Bei der Beobachtung des Phänomens des éclat in postrevolutionärer Zeit waren ferner methodologische Schwierigkeiten zu bewältigen: Wie den Glanz des Helden z.B. in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts beschreiben, wenn die den Begriff éclat über Jahrhunderte prägenden aristokratischen bzw. religiösen Bedeutungsinhalte verloren gehen oder sich verändern? Wie die Heldenfigur legitimieren in einem demokratischen, egalitären Zeitalter? Da sich das Phänomen in der Heldentum skeptisch begegnenden Moderne nicht mehr ohne weiteres auf ein bestimmtes heroisches (z.B. ein aristokratisches) Modell rückbeziehen lässt, erscheint der Glanz des Helden zunehmend als ein Indikator von Heroisierungsprozessen, die jeder Definition eines bestimmten Heldenmodells vorausgehen.

Wegen der problematischen Quellenlage musste im Rahmen des Dissertationsprojekts auf die eingehende Analyse performativer Aspekte wie Beleuchtung, Kostümgestaltung und die affektive Wirkung der Heldeninszenierungen verzichtet werden. Doch konnte dieser Verzicht durch einzelne Fallbeispiele kompensiert werden und die ansonsten vornehmlich textzentrierte Perspektive auf kanonische und nicht-kanonische Dramen der Zeit zwischen ca. 1630 und 1680 zusätzlich durch Methoden der Forschung zur history of emotions ergänzt werden.

Im Rahmen eines Workshops mit Werner Telesko (Wien) zum Thema „Inszenierung des Heroischen vom 17. bis zum 19. Jahrhundert“ sowie der Diskussion seines Gastvortrags „Die Aura des Helden – zur Konstruktion und Dekonstruktion des Heroischen in der Kunst der Neuzeit“ (13.11.2013) fand die erwähnte Kooperation mit der Kunstgeschichte ihre Fortsetzung. Im Austausch mit den beteiligten Teilprojekten (B3, B5, C1) konnte eine historisch-semantische Merkmalanalyse des éclat vorangetrieben und sein Status als transdisziplinäres Querschnittsthema des SFB bestätigt werden. Der Workshop lenkte das Augenmerk insbesondere auf die inter- wie transmediale Natur der Inszenierung des éclat in Text- und Bildmedien, für die ihrerseits Entwicklungen in Bereichen wie politische Repräsentation, Öffentlichkeit und Medientechnik von Bedeutung sind. Zur Vorbereitung der Analyse der literarischen Texte des Korpus rückten deshalb Visualisierungsverfahren wie Metaphern, Symbole, Allegorien und Metonymien, aber auch Narrativierungsverfahren rund um den Themenkomplex der Erscheinung, des Auftritts und der Wahrnehmung des Helden in den Fokus. Im Rahmen des Gastvortrags von Juliane Vogel („Sol invictus. Triumphale Auftrittsformen im Theater der Neuzeit“, 23.07.2014) konnten medienspezifische Aspekte der Inszenierung des éclat des Helden im Sinne einer besonderen Ästhetik des Auftretens herausgearbeitet und für die eigene Forschung fruchtbar gemacht werden. Im Kontext des Workshops mit Michel Delon („Das Pantheon im Zeichen von Heroisierung und Deheroisierung“, 17.–18.10.2013) wurden die Transformationen des Heroischen in der Achsenzeit um 1800 im Austausch mit den anderen Teilprojekten (B2, B3, B5) anhand der sich wandelnden Diskurse, Rituale und medialen Praktiken rund um das Pariser Pantheon analysiert. Eine besonders radikale und äußerst ambivalente Zuspitzung des Heldenverständnisses im späten 18. Jahrhundert konnte ausgehend von seinem Gastvortrag, „Le héros sadien, figure paradoxale et révélatrice“ (16.03.2013), diskutiert werden. Die Veränderungen und auch die Fortschreibungen der Topik des éclat des Helden wurden so mit Blick auf die historische Spezifik der vorrevolutionären, der revolutionären und der postrevolutionären französischen Gesellschaft sichtbar gemacht und erneut in intermediale Fragehorizonte eingeordnet.

Die (Zwischen-)Ergebnisse der Forschungstätigkeit im Teilprojekt wurden darüber hinaus auch durch zahlreiche Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen diskutiert. Die Veränderungen, die der Begriff ‚éclat‘ vor allem im 18. Jahrhundert im Zuge einer Kritik des kriegerischen Heroismus, von Aufklärung und Säkularisierungsprozessen sowie einer erkenntnistheoretischen Refunktionalisierung der traditionell religiösen Lichtmetaphorik erfährt, konnten so beispielsweise anhand von Diderots Kunstkritik, bei deren Betrachtung die angesprochene intermediale Natur des éclat-Begriffs ebenfalls im Vordergrund steht, im Rahmen eines Vortrags des Teilprojektleiters während einer internationalen Tagung in Luxemburg präsentiert werden („La présence de l’éclat dans l’œuvre de Diderot: questions de méthode“ [15.10.2013]). Der Vortrag mit dem Titel „Fremde Helden? Zur Ambivalenz des Heroischen in Tristan L’Hermites ‚Osman‘“ – um nur ein weiteres Beispiel zu nennen –, den der Teilprojektmitarbeiter auf der vom SFB ausgerichteten Tagung „Fremde Helden auf europäischen Bühnen 1600–1900“ (12.–14.03.2015) hielt, wurde nicht im Tagungsband publiziert, sondern in überarbeiteter Form als zentrales Kapitel in die Dissertation integriert.

Im Rahmen einer journée d’étude (14.12.2012) mit Kollegen der Université de Strasbourg (Béatrice Guion, Pierre Hartmann) sowie des FRIAS (Henning Hufnagel) wurde zudem auch eine grenzüberschreitende wissenschaftliche Vernetzung des Teilprojekts vorangetrieben.

Gezielt wurde ferner der Dialog mit der Öffentlichkeit gesucht. Dies geschah z.B. im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Claire Doutriaux (ARTE) und Tobias Scheffel (Literarischer Übersetzer) im Rahmen der Ausstellung „Helden-Karambolage“, eine Kooperation des Teilprojekts, der ARTE-Sendung „Karambolage“, des Literaturbüros Freiburg, des Kommunalen Kinos Freiburg, sowie des Frankreich-Zentrums der Universität Freiburg und des Centre Culturel Français Freiburg (03.07.2014). Radiointerviews zu Sport und Heldentum im Zusammenhang mit der Rückkehr der Fußball-Nationalmannschaft aus Brasilien im Deutschlandradio Kultur, dem Schweizer Rundfunk sowie dem Nordwestradio (alle 16.07.2014) und zur Aktualität des Heroischen vor dem Hintergrund der Anschläge gegen Charlie Hebdo in Paris im Hessischen Rundfunk (22.01.2015) ergänzten die wissenschaftlichen Arbeit des Teilprojekts.

 

Publikationen des Teilprojekts

  • Gelz, A. 2016a: Der Glanz des Helden. Über das Heroische in der französischen Literatur vom 17. bis 19. Jahrhundert (Figurationen des Heroischen 2), Göttingen.
  • Gelz, A. 2016b: Le Parc des Princes: Stadien der Heroisierung in der französischen Literatur
  • des 20. und 21. Jahrhunderts (Montherlant – Perec – Echenozin), in: A. Aurnhammer / U. Bröckling (Hrsg.), Vom Weihegefäß zur Drohne. Kulturen des Heroischen und ihre Objekte, Würzburg, S. 221–238.
  • Gelz, A. 2015a: ‚L’éclat du héros‘ – Formen auratischer Repräsentation des Helden im Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts zwischen Bild und Text (Mme de Lafayette, Diderot), in: Comparatio – Zeitschrift für Vergleichende Literaturwissenschaft 2, S. 217–235.
  • Gelz, A. / Helm, K. / Hubert, H.W. [et al.] 2015b: Phänomene der Deheroisierung in Vormoderne und Moderne, in: helden. heroes. héros. E-Journal zu Kulturen des Heroischen 3.1: Faszinosum Antiheld, S. 135–149, DOI: 10.6094/helden.heroes.heros/2015/01/13.
  • Gelz, A. 2015c: Darstellungsformen, Medien und Ästhetik, in: Gelz, A. [et. al.], Das Heroische in der neueren kulturhistorischen Forschung: Ein kritischer Bericht, H/Soz/Kult, 28.07.2015, S. 90–97, http://www.hsozkult.de/literaturereview/id/forschungsberichte-2216.
  • Posselt-Kuhli, C. / Willis, J. 2015: „La Gloire du Val-de-Grâce“ ou l’artiste en héros chez Molière et Pierre Mignard, in: Papers on French Seventeenth Century Literature, Vol. XLII, No. 83, S. 409–441.
  • Posselt-Kuhli, C. / Willis, J. 2014: «La voilà, cette main, qui se met en chaleur» – Intermediale Heroisierungs-strategien bei Molière und Pierre Mignard am Beispiel des Gedichts La Gloire du Val-de-Grâce, in: helden. heroes. héros. E-Journal zu Kulturen des Heroischen 2.2: Mediale Strategien der Heroisierung, S. 49–68, DOI: 10.6094/helden.heroes.heros./2014/02/05.
  • Willis, J. 2015: Pierre Corneille’s „Cinna ou la clémence d’Auguste“ in Light of Contemporary Discourses on Anger (Le Moyne, Descartes, Senault), in: K. Enenkel / A. Traninger (Hrsg.), Discourses of Anger in the Early Modern Period, Leiden, S. 331–354.
  • Willis, J. 2014a: Emotions and Affects of the Heroic – An Analysis of Pierre Corneille’s Drama „Nicomède“, in: helden. heroes. héros. E-Journal zu Kulture des Heroischen, Special Issue 1: Languages and Functions of the Heroic, S. 24–35, DOI: 10.6094/helden.heroes.heros./2014/QM/05.
  • Willis, J. 2014b: Metamorphosen des Heldenkörpers in Pierre Corneilles Dramen „Le Cid“ und „Horace“, in: T. Hiergeist [et al.] (Hrsg.), Corpus. Beiträge zum 29. Forum Junge Romanistik, Frankfurt a. M., S. 265–281.

 

Anmeldung
Der interne Bereich finden Sie nun auf der Teamplattform des SFB 948. Hinweise zum Login und zur Bedienung der Teamplattform finden Sie in diesem Dokument.