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Teilprojekt A2

Bedeutungswandel und mediale Vermittlung des Heroischen im interkulturellen Raum des Hellenismus

 

Teilprojektleitung: Prof. Dr. Sitta von Reden; Mitarbeiter(in): Thibaut Boddez, Carla Gebauer
 
Projektdauer: 2012-2016 Bericht als PDF


Die Publikationen von Mari, Mitchell, Pfeiffer1 zeigen, dass ein intensives Forschungsinteresse an den Voraussetzungen des hellenistischen Herrscherkults besteht. Im Gegensatz zu Mitchell wurde in diesem Teilprojekt jedoch argumentiert, dass es, wie Mari betont hat, lediglich vereinzelt lokale Formen der Vergöttlichung und kultischen Verehrung von Menschen in vorhellenistischer Zeit gab. Aufgabe des Teilprojekts war es, unterschiedliche lokale Traditionen der kultischen Überhöhung von Menschen zu Lebzeiten und nach dem Tod zu fassen und ihre transkulturelle Verschmelzung in hellenistischen Herrscher-, Dynastie- und Heroenkulten2 aufzuzeigen. Mit Alexander entstand mithin etwas völlig neues. Unter den Nachfolgern entwickelte sich eine Vielzahl von Herrscher-, Gründer-, und Dynastiekulten, in denen sich die Könige als Wohltäter und Retter stilisierten, aber auch Kulte für königliches Personal vor Ort und Amtsträger, die keinen Götterkult für sich beanspruchen konnten. Dieses Phänomen zeigt sich nicht etwa erst im späten 2. Jh. v. Chr. als nunmehr nahezu sinnentleerter Heroenkult, sondern kennzeichnet schon ab dem 3. Jh. v. Chr. eine Kultur der Verehrung, in der sich eine Reziprozität von Geben und Nehmen sozialer, ökonomischer und politischer Positionen und damit auch eine politische Kontrolle von Herrschaft ausdrückt (von Reden 2016; Boddez 2017).3

Unterprojekt A (noch nicht abgeschlossen): „Verhandlung heroischer Muster in Literatur und visueller Repräsentation der Ptolemäer“ (Dissertation Carla Gebauer)

Da sowohl in der ägyptischen als auch in der griechischen Tradition die übermenschliche Erhöhung eines Monarchen eine wesentliche Machtressource darstellte, war eine der zentralen Fragen dieser Untersuchung, inwiefern Heldennarrative als Medium dienten, um zunächst unvereinbar scheinende Konzepte von Königtum kulturell übertragbar zu machen und darüber hinaus eine weitläufige Akzeptanz für die gottgleiche Verehrung des ptolemäischen Herrschers und seiner Dynastie zu schaffen. Um außerdem genau herauszuarbeiten, welche Aspekte im ptolemäischen Ägypten Heldentum konstituierten und in welcher Form diese Konzepte kommuniziert wurden, sollten insbesondere epische und historiographische Texte aus dem Umfeld des Ptolemäerhofes analysiert werden.

Die Ptolemäer stellten sich als Besatzer in eine lange Tradition des Dialoges zwischen König und Bevölkerung in der literarischen Verhandlung der genannten Themen. Sie gingen sogar noch einen Schritt weiter, indem sie das eigene Konzept von Herrschaft, Übermenschlichkeit, Ideal und eben auch Heldentum mit lokaler Erzähltradition verflochten und somit zwei entscheidende Faktoren für sich nutzten: über das Medium Erzählung mit der Bevölkerung zu kommunizieren und sich an bereits existierende Kulte postum vergöttlichter, ägyptischer Könige über rituelle Texte und durch das Beistellen eigener Kultstatuen in deren Tempeln anzubinden.

Das Konzept des Helden eröffnete neue Kommunikationsräume, indem beide Kulturen über die hymnische und rituelle Inszenierung von Helden in einen offenen Dialog über ihre kulturellen Eigenheiten traten und den Helden als Gegenstand mythischer Erinnerung in lyrischen Werken inszenierten, um damit die bedeutendsten Stationen des jeweiligen kulturellen Gedächtnisses für ein Publikum erfahrbar zu machen. Im weiteren Verlauf entwickelte sich im Zuge der ökumenischen Verehrung und der Erzählstruktur dieser Heldengeschichten ein gemeinsames semiotisches System, dessen Kernelemente für beide Kulturkreise verständlich waren. So wurde auch die Problematik einer gemeinsamen Kultpraxis – bspw. für einen heroisierten Revolutionshelden – in den Texten explizit verhandelt.

Das Idealbild des Herrschers änderte sich in diesem Prozess drastisch. Der Held bildete mit seiner Tatkraft und seinem Eroberungswillen oft eine Gegenfolie zu einer schwachen Herrscherfigur, welche in der Erzählung durch Untätigkeit und mangelnde Durchsetzungskraft geprägt war. Auf diese Weise wurden bestimmte Könige der unmittelbaren ägyptischen Vergangenheit gezielt deheroisiert, um andere Herrscherfiguren, wie z.B. Nektanebos zu idealisieren, an den sich wiederum Alexander dynastisch anschloss. Die Verschmelzung und Artikulation von heroischen Mustern durch das modifizierte Erzählen traditioneller Volksweisen und Helden- bzw. Herrscherbiographien, und die damit einhergehende Veränderung eines kollektiv erinnerten Bezugsrahmens stellte eine wesentliche Voraussetzung für die Legitimation hellenistischer Monarchie im ptolemäischen Herrschaftsraum dar.

Bei der Zusammenstellung der Materialkorpora, insbesondere des Korpus der Texte, die außerhalb des ptolemäischen Hofes entstanden, wurde deutlich, dass für den Bereich Ägypten zahlreiche Texte und Inschriften vorliegen, die bisher nur ediert, nicht aber historisch oder kulturwissenschaftlich analysiert worden waren. Da die Gattung des ägyptischen Heldenepos für das ptolemäische Ägypten bisher nur einem eher kleinen Kreis von Ägyptologen und Papyrologen bekannt war, wurde die Gewichtung der Untersuchung auf die Analyse dieser Texte konzentriert.

Arbeitsprojekt B: „Heroenkulte und Artikulation heroischer Muster in der politischen Kultur griechischer Städte“ (Dissertation Thibaut Boddez)

Das Arbeitsvorhaben konzentrierte sich zunächst auf die Untersuchung vorhellenistischer Herrscherbilder in Lykien, Karien und Makedonien, die das Herrscherbild der neuen hellenistischen Dynastien prägten und auf die lokalen Vorstellungen von Herrscherfiguren und wie sie auf die Verehrung von Zeitgenossen einwirkten. Während sich eine heroische Repräsentation und Verehrung des Herrschers in der vorhellenistischen Zeit an seinem Grab konzentrierte, wurde nach dem Tod Alexanders die Artikulation heroischer Muster in die göttergleichen Herrscherkulte des Hellenismus integriert. So wurden Verhaltensmuster ebenso wie Narrative, die den heroischen Charakter einer Person etablierten, in Hinblick auf ihre Einbindung in einen Kult verdeutlicht. Die Integration heroischer Kultaspekte in einen göttergleichen Herrscherkult sowie die Beseitigung der Spannung zwischen beiden Kultformen zeigen sich insbesondere an der Gründerverehrung von Alexander in Alexandria und an der Assimilation von Antigonos I. und Demetrios I. mit den Phylenheroen von Athen im Jahr 307 v. Chr. Die Relevanz dieser Vorbilder setzt eine Untersuchung der Benennung von Phylen nach Herrschern und der Einrichtung von Gründerkulten im Hellenismus in eine größere Perspektive. Diese Untersuchung zeigt, dass die Einbeziehung von heroischen Kultaspekten in den göttergleichen Herrscherkulten zum Ausdruck wesentlicher Aspekte der Herrschaft und der Beziehung zwischen einem Herrscher und einer Stadt diente. Die Spannung zwischen heroischen und göttlichen Mustern war im göttergleichen Herrscherkult ausgeblendet. Während das Verständnis von heroischen und göttlichen Kultehren unter dem Einfluss der Herrscherkulte umdefiniert wurde, behielt die Deutung eines Kultes als heroisch oder göttlich ihre Relevanz. Eine andere Gruppe von Kultadressaten waren Personen, die dem König nahe und am königlichen Hof tätig waren, jedoch aktiv an der Politik der Wohltätigkeit in griechischen Städten teilnahmen. Um die kultische Vormachtstellung des Monarchen zu markieren, definierte die Verehrergemeinde die kultischen Ehren der anderen Wohltäter als heroisch. Eine deutlich ptolemäische Beeinflussung der Verehrungspraxis ließ sich nicht erkennen. Viel wichtiger schienen in der Untersuchung regionale Eigenheiten, chronologische Unterschiede und hellenistische Ausdrucksformen der Heroisierung bzw. Divinisierung der Königsdynastien insgesamt.

Die Beobachtung einer Zweiteilung heroischer bzw. göttlicher Repräsentationsmuster im Hellenismus, die schon in der klassischen Zeit angelegt war, sich aber im Hellenismus anders fortsetzte, liefert einen wichtigen Beitrag zur Forschungsfrage nach den Ursprüngen des hellenistischen Herrscherkultes. Er ging offenbar aus einer Hierarchisierung von heroisierten und vergöttlichten Personen hervor, die schon früh unter Alexander durch die Heroisierung des Hephaistion symbolisch angedeutet wird. Jedoch beschränkt sich die Arbeit nicht nur auf die Kontrastierung zwischen Heroisierung und Vergöttlichung, wie sie bisher in der Forschung vorgenommen wurde,4 sondern arbeitet heraus, wie diese Kontrastierung sich auch in den verwendeten Kultformen artikulierte. Schließlich schließt die Arbeit eine Forschungslücke mit der systematischen Behandlung der Heroisierungen von Wohltätern der frühen hellenistischen Phase (spätes 4. bis Mitte des 2. Jhs. v. Chr.), die bisher in der Forschung wenig berücksichtigt worden ist.5

1 Mari, M. 2008: The Ruler Cult in Macedonia. Studi Hellenistici 20, S. 219–-268; Mitchell, L. 2013: Heroic Rulers in Archaic and Classical Greece. London; Pfeiffer, S. 2014: Alexander d. Gr. in Ägypten. Überlegungen zu sei-ner ägyptischen Legitimation, in: V. Grieb [et al.] (Hrsg.), Alexander the Great and Egypt. History, Art, Tradition, Wiesbaden, S. 89–106.
2 Hughes, D. D. 1999: Hero cult, heroic honours, heroic dead: some developments in the Hellenistic and Ro-man periods, in: R. Hägg (Hrsg.), Ancient Greek hero cult, Stockholm, S. 167–175.
3 Und außerdem von Reden, S. 2015: Stiftungen und politische Kommunikation in hellenistischen Städten, in: dies. (Hrsg.), Stiftungen zwischen Politik und Gesellschaft. Geschichte und Gegenwart im Dialog. HZ Beiheft 66, S. 205–236.
4 Buraselis, K. 2003: Political Gods and Heroes or the Hierarchization of Political Divinity in the Hellenistic World, in: A. Barzanò [et al.] (Hrsg.), Modelli eroici dall'antichità alla cultura Europea, Rom, S. 185–197.
5 zuletzt Currie, B. 2005: Pindar and the cult of heroes (Oxford Classical Monographs), Oxford.


Publikationen des Teilprojekts

  • Boddez. T. [vorauss. 2017]: Neue Heroen in einer Zeit lebender Götter. Die Artikulation heroischer Muster in den Herrscherkulturen und Honoratiorenkulten der griechischen Städte der frühen und hochhellenistischen Epochen (336-150 v. Chr.), Dissertation (in Vorbereitung).
  • Boddez, T. 2016: Entre le roi et la cité. Remarques sur le développement des cultes héroïques entre 336 et 150, in: Erga-Logoi 4.2, S. 75–116, DOI:10.7358/erga-2016-002-bodd.
  • Gebauer, C. 2014: Frank Millers „300“ – Modern rezensierte Helden der Antike, in: helden. heroes. héros. E-Journal zu Kulturen des Heroischen 2.1: Populärkultur, S. 58–60, DOI: 10.6094/helden.heroes.heros./2014/01/07.
  • von Reden, S. 2016: Neue Helden in der hellenistischen Polis: Der Dichterethos und sein Bild im Archelaosrelief von Priene, in: A. Aurnhammer / U. Bröckling (Hrsg.), Vom Weihegefäß zur Drohne. Kulturen des Heroischen und ihre Objekte (Helden – Heroisierungen – Heroismen 4), Würzburg, S. 41–58.
  • von Reden, S. 2013: Tagungsbericht zu „Des hommes aux dieux. Processus d’héroisation et de divinization dans la Méditerranée hellénistique”, in: helden. heroes. héros. E-Journal zu Kulturen des Heroischen 1.1: Herausforderung Helden, S. 93–94, DOI: 10.6094/helden.heroes.heros./2013/01/15.
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