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Jakob Willis


 Jakob Willis

Dissertationsprojekt: Transformationen des Heroischen im Drama des Siècle classique

Im 17. Jahrhundert vollzieht sich in Frankreich ein grundlegender Wandel der literarischen Heldendarstellung. Finden sich in der Literatur der ersten Jahrzehnte noch vorwiegend agonal geprägte Helden wie Corneilles Cid, so lässt sich etwa ab der Mitte des Jahrhunderts eine Tendenz hin zu einem dezidiert religiösen (Bossuet, Racine), intellektuellen (Molière, Cyrano) und amourösen (Scudéry, Lafayette) Heldentum beobachten. Folgt man Bénichous noch heute weithin akzeptierter Interpretation, dann vollzieht sich im Siècle classique nicht nur ein Wandel, sondern eine regelrechte „démolition du héros“.

Verantwortlich für diese Entwicklung ist eine Reihe sozio-kultureller Prozesse, zu denen unter anderem die Konsolidierung des Absolutismus, der Einfluss von Rationalismus, Jansenismus und Quietismus sowie die institutionalisierte Reglementierung von Kunst- und Sprachformen gezählt werden müssen. Entwicklungen, die sich im klassischen Ideal des honnête homme, des zivilisierten Menschen des mittleren Maßes, niederschlagen und dezidiert gegen die barocke Vorstellung heroischer démesure gerichtet sind.

Diese Arbeit möchte nun zeigen, dass man trotz der massiven Umbrüche im kulturellen Umgang mit den Heldenfiguren nicht von einer endgültigen „démolition“, sondern vielmehr von einer graduellen Transformation des Heroischen sprechen muss. Löst man sich von einer essentialistischen Definition des Helden und konzentriert sich auf seine mediale Konstruktion, so fällt auf, dass sowohl der agonale Kriegsheld wie auch die Tugend-, Geistes und Liebeshelden und nicht zuletzt der als Held glorifizierte Souverän in der Literatur des 17. Jahrhunderts ähnlich repräsentiert werden: die heroische Figur erscheint durchgängig in einem besonderen éclat, einem oft inkommensurablen Zusammenspiel von Licht und Klang, das eine kognitive als auch emotionale Herausforderung für den Betrachter darstellt, indem es diesen gleichermaßen erhellt und blendet, anzieht und ängstigt.

In dem Begriff des éclat, dessen ambivalentes semantisches Spektrum von der visuell geprägten Dimension des Glanzes und der Aura bis hin zum vornehmlich akustisch konnotierten Bereich des Splitters und des Skandals reicht, – so die These – kristallisiert sich ein ästhetisches Dispositiv der Heldendarstellung, das in unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten aktiviert werden kann. Er verweist nicht nur auf Beispiele literarischer Heldendarstellung, sondern kann allgemein als Chiffre für einen medialen Artikulationscode des Heroischen nutzbar gemacht werden.

An einem für das Siècle classique repräsentativen Korpus dramatischer Werke soll im analytischen Teil der Untersuchung gezeigt werden, wie dieser mediale Artikulationscode den Rahmen für die Transformationen des Heroischen von Corneilles strahlenden Kriegern über Racines tragische Helden bis hin zu Molières Figuren des Skandals liefert. Gerade im Frankreich des 17. Jahrhunderts, das mit einigem Recht als „Theater–Staat“ im Sinne Blockmans bezeichnet werden kann, bietet sich das Drama in besonderem Maße für die Ziele dieser Untersuchung an, stellt es als Gattung mit dem höchsten sozialen Prestige doch das zentrale Projektionsmedium heroischer Figurationen dar. Im Spannungsfeld von Text und Bühne kann zudem der intermediale Anspruch der Arbeit eingelöst und auch die performativen und emotionalen Aspekte der Inszenierung der Heldenfiguren und ihrer Rezeption verstärkt mit einbezogen werden.

Neben neuen Erkenntnissen über die Formen und Funktionen des Heroischen bei drei kanonischen Autoren sowie den sozial- und kulturgeschichtlichen Implikationen ihrer Produktion ist damit in theoretischer Hinsicht auch ein Beitrag zur literaturwissenschaftlichen Erforschung von Medialität, Performativität und Emotionalität zu erwarten. Da Helden immer als eine symbolische Form menschlicher Selbstverständigung verstanden werden können, möchte diese Arbeit schließlich auch eine Antwort auf die Frage geben, inwiefern sich in den Heldenfiguren des 17. Jahrhunderts bereits ein modernes Selbstverständnis des Menschen ankündigt.

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