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Faustin Vierrath


 Faustin Vierrath

Dissertationsprojekt: Zum Genus des Heldenbegriffs. Komparative Semantik des Heroischen und seiner geschlechtlichen Konnotationen am Beginn der Moderne (Deutschland, Frankreich, Großbritannien 1780-1850)

Heroische Figuren sind als außeralltäglich, außerordentlich markiert. Damit öffnen sie einen Möglichkeitsraum für alternative Ordnungsentwürfe. Andererseits wirken sie als Vorbilder und Identifikationsangebote. Diese Doppelgestaltigkeit als zugleich exemplarisch und exzeptionell bringt es mit sich, dass Menschen in der Auseinandersetzung mit Helden(tum) sowohl Aussagen über das machen, was ihnen als vorbildlich und nachahmenswert gilt, wie auch über die Grenzen sozial akzeptierten Verhaltens. Von besonderer Bedeutung, so die Ausgangsthese des Dissertationsprojekts, ist dieses grenzziehende und –herausfordernde Potential des Diskursgegenstands Heldentum für die Aushandlung von Geschlechterräumen und –rollen: Geschlechtlich hoch segregiert, ja in seiner klassischen Form überwältigend männlich konnotiert, lässt der Heldenbegriff bei näherer Betrachtung Varianzen, alternative Pfade und v.a. das Gemachtsein seiner synchron und diachron variierenden geschlechtlichen Besetzung erkennen.

Diese will das Dissertationsprojekt am Sprachhandeln rund um den Kernbegriff Held, Heldin, Heldentum, heroisch, heldisch bzw. seine englisch- und französischsprachigen Pendants  untersuchen. Methodisch versteht es sich als geschlechtersensible historische Semantik. Es folgt der von Geschlechter- und Begriffsgeschichte geteilten Prämisse, dass Sprache nicht nur Indikator, sondern auch Faktor gesellschaftlicher Veränderung bzw. Persistenz ist, und interessiert sich für die Pragmatik von Begriffsgebrauchsweisen an benennbaren historischen Orten. Dabei gewährt ein Quellenkorpus aus Unterhaltungszeitschriften und Gedichten, Lexika und philosophischen Abhandlungen Zugang zu reflexivem wie weniger reflektiertem Begriffsgebrauch sowie zu unterschiedlichen Sprecherpositionen und Rezipienten:

Wie und wozu wird der Konnex von Heldentum und Männlichkeit diskursiv (re-)produziert oder herausgefordert? Wieviel Raum bietet das äußerlich homogene Konzept Mannhaftigkeit differenzierten Männlichkeiten? Wie wird weibliches Heldentum, das Eindringen weiblicher Figuren in den Kernbereich des Begriffes Held, diskursiv entschärft? Welche – möglicherweise ‚geschlechtsfernen’ – diskursiven Funktionen haben geschlechtliche Codierungen von Heroismen in konkreten Auseinandersetzungen?

Den Untersuchungszeitraum bildet jenes Zeitalter von Spätaufklärung und europäischen Revolutionen, in dem bestehende Ordnungen auf den Prüfstand kommen, Normen auf neuartige Weise begründungsbedürftig werden. Zugleich gilt die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert als entscheidend für die Herausbildung des Modells zweier kontrastiv/komplementär aufeinander bezogener Geschlechter, das das westliche Denken bis in die Gegenwart bestimmen sollte. Den Anteil und das alternativbildende Potential des Heldendiskurses in diesem Prozess herauszuarbeiten – als Beitrag zur Geschlechtergeschichte – und umgekehrt in den Auseinandersetzungen um  Inhalt, Bewertung und gültigen Anwendungsbereich von „Heldentum“ offene und verdeckte geschlechtliche Imprägnierungen aufzuzeigen – als Beitrag zu dessen Begriffsgeschichte –, ist das Ziel des Dissertationsprojekts. Seine transnational-komparative Anlage ermöglicht dabei, nationalen Befunden  den Schein des Natürlichen, Zwangsläufigen zu nehmen.

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