Zurück zur Startseite

Anne-Marie Wurster


Stipendiatin
Musikwissenschaft,
Universität Tübingen

 

Dissertationsprojekt: "Kirchenmusik als Mittel zur Heroisierung der Kaiserin Maria Theresia im Spannungsfeld zwischen Barock und Aufklärung"

Unter Karl VI. gelang der Wiener Hofmusikkapelle der Aufstieg zur besten und einflussreichsten Hofkapelle Europas, die einen maßgeblichen Anteil an der Verherrlichung des Kaisers hatte und so Sinnbild für die imperiale Musikkultur wurde. Kirchliches und weltliches Zeremoniell verschmolzen zu diesem Zweck so sehr, dass sie teilweise kaum zu trennen waren. Kirchliche und höfische Kultur durchdrangen sich gegenseitig, wie auch der Kaiser selbst göttliche und weltliche Macht in sich vereinte.
Maria Theresia zeigte sich ihrem Volk hauptsächlich zu geistlichen Anlässen, etwa bei öffentlichen Kirchgängen. Ihre Regentschaft (1740-1780) fiel in jene Phase, in der das Gottesgnadentum des Kaisertums an Glanz zu verlieren begann und die Idee des modernen, auf einem Gesellschaftsvertrag basierenden Staates aufkeimte. Dieser Wandel war Maria Theresia durchaus bewusst, ihr Glaube, ihre Frömmigkeit und ihre Lebensweise waren jedoch weitgehend im Barock verhaftet und öffneten sich nur schwer dem aufgeklärten Gedankengut. Die vom Kaiserhof veranstalteten religiösen Akte, seien es sonntägliche Gottesdienste, aufwändige Prozessionen oder Feste, drangen tief in den Alltag und das Bewusstsein der Bevölkerung ein und vermittelten so auch Weltsicht und Machtanspruch und dienten der Legitimation der Herrscherpersönlichkeit. Im Rahmen solcher Gelegenheiten war die Musik aufgrund ihrer unmittelbaren Wirkung und ihrer sinnlich-konkreten Erfahrbarkeit wichtiger Bestandteil der Inszenierung. Länger als in jedem anderen höfischen Bereich behielt Maria Theresia in der Kirchenmusik die barocke Prachtentfaltung bei. Kirchenmusik untermalte Bittgänge und Wallfahrten der kaiserlichen Familie, ebenso Prozessionen und Siegesfeiern in Kriegszeiten. Solche Ereignisse stärkten – auch dank der wirkungsvoll eingesetzten Kirchenmusik – den Patriotismus und den Zusammenhalt des Volkes sowie dessen Fokussierung auf Maria Theresia als Herrscherin.
Wie erfolgt also die Vermittlung des Heroischen in der Musik? Welches Herrscher- und Heldenbild wird durch die Kirchenmusik vermittelt? Welche Attribute werden der Herrscherin zugeschrieben? Welche (zusätzlichen) Symbole werden eingesetzt? Wie wird die Musik in der Gesellschaft rezipiert und welche Folgen ergeben sich daraus? Erfährt die Gesellschaft eine Stabilisierung durch die heroisierte Kaiserin? Zwingt der gesellschaftlich-philosophische Wandel die Kirchenmusik zur Veränderung der Heroisierungsstrategie?
Die Betrachtung von Kirchenmusik ermöglicht einen Einblick in Alltag und Feste, in Friedens- und Kriegszeiten, in privates und öffentliches Leben. Das Projekt soll zeigen, wie Kirchenmusik unter der Herrschaft Maria Theresias zur Inszenierung des absolutistischen Herrscherbildes und damit zur Heroisierung der Herrscherin eingesetzt wurde. Vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen barocker Prunkentfaltung und dem Gedankengut der Aufklärung werden grundlegende Informationen zu Repertoire, Ablauf der Gottesdienste und örtlichen Gegebenheiten erarbeitet und kontextualisiert. Neben den Musikalien als Hauptquelle dienen hierzu Sachquellen wie Bauwerke oder Instrumente als Grundlage, da sie die Glorifizierung der Herrscherin auch optisch vermittelten.

Anmeldung
Der interne Bereich finden Sie nun auf der Teamplattform des SFB 948. Hinweise zum Login und zur Bedienung der Teamplattform finden Sie in diesem Dokument.