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Marion Deschamp


Stipendiatin
Geschichtswissenschaft,
Zentrum Marc Bloch, Berlin / Université Lumière Lyon 2

 

Dissertationsprojekt: "Tempel der Erinnerung. Die Heroisierung der Kirchenväter der Reformation in Porträts- und Vitensammlungen (16. und 17. Jahrhundert)"

1580 veröffentlichte Theodor von Beza, Nachfolger Calvins an der Spitze der reformierten Kirche in Genf, eine im Buchform verfasste Porträt- und Vitensammlung berühmter Männer, durch welche „Gott die wahre Religion wiederhergestellt“ habe. Im späten 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erschienen eine große Anzahl anderer Sammlungen dieser Art. Autoren verschiedener reformatorischer Konfessionsgruppen trugen zu diesem Medienphänomen bei, das sich der Heroisierung der Hauptfiguren der Reformation widmete. Bemerkenswert ist aber, dass alle diese Papiergalerien sich die textuelle und visuelle Repräsentationsformen der humanistischen Renaissance aneigneten, um einen neuen heroischen Ethos des Protestantismus zu konstruieren. Die von der antiken Biographik beeinflussten Vitenbücher berühmter Männer galten seit dem 15. Jahrhundert als paradigmatische Gattung der Heldenliteratur. Als Heroen dargestellt wurden nicht nur römische Kaiser und erfolgreiche Kriegshelden, sondern auch lorbeergekrönte Dichter und geniale Künstler. Zugleich erfüllte diese Vermittlung des Heroischen eine komplementäre Funktion, indem sie dem Leser exemplarische Lebensformen anbot. Die Biographien von exemplarischen Helden beruhten prinzipiell auf der Logik der Reproduzierbarkeit, so dass sie die zwei Seiten des mimetischen Begehrens vollbringen konnten: das Begehren nachgeahmt zu werden und das des Nachahmens. Angesichts dieser exemplarisch-pädagogischen Dimension erklärt sich die paradoxe Reihenbildung des Außerordentlichen, die die Kollektionsform auszeichnet. Unter dem Begriff des „berühmten Mannes“ spielen zwei gegensätzliche Tendenzen gegeneinander: das Einzigartige und das Stereotype. Der exemplarische Status des „grand homme“ macht eine reproduzierbare Figur der Exzellenz aus ihm und trägt zu einer Standardisierung des heroischen Wesens bei.


Vor diesem Hintergrund möchte mein Dissertationsprojekt die Bedingungen, Prozesse und Strategien erläutern, die die humanistischen Sammlungen berühmter Männer zu protestantischen Pantheons umgestalteten. Konnte sich das Bündnis zwischen dem humanistischen Ideal des Helden und der Heroisierung der Gründerväter der Reformation reibungslos und widerspruchsfrei vollziehen? Wie aber entstand die notwendige „Bekehrung“ von Fortuna zur Vorsehung und von irdischen zu religiösen Tugenden? Wieweit veränderte sich durch diese konfessionstheologischen Prozesse der Inhalt des Heroischen? Meine Arbeitshypothese ist, dass die Verpflanzung von Formen und Figuren des humanistischen auf den reformatorischen Korpus des Heroischen den protestantischen Autoren erlaubte, die symbolische Wirksamkeit des Gedächtnisses neu zu definieren. Die Nutzung des Modells „Held“ ermöglichte es den Autoren, der katholischen Tradition der Hagiographik und der problematischen Figur des Heiligen zu entkommen. Die protestantischen Märtyrer und Helden des Glaubens wurden als Werkzeuge Gottes bezeichnet und in den Plan der göttlichen Vorsehung einbezogen, die ihre eigenen persönlichen Verdienste überragte. Daraus ergab sich eine entsakralisierte und von Fragen der Heilsökonomie entleerte neue Art von Hagiographie. Überdies legitimierte die humanistische Bildpraxis das protestantische Porträt, auch wenn es fromme und heilige Persönlichkeiten betraf. Innerhalb der Porträt- und Vitenbücher sind die Bildnisse von reformatorischen Glaubensheroen keine Ikonen mehr und verlieren die Sakralität, die ihnen von den Katholiken verliehen worden war. Sie werden Teil einer Erinnerungskultur, die dem Bildkult entsagt. Schließlich wurde die Form der Kollektion als ein konfessionelles Modell benutzt : das Sammlungsprinzip, das heißt, die Konfiguration von Reformatoren verschiedener Konfessionsgruppen an ein und demselben Ort, erlaubte ein einheitliches suprakonfessionelles Bild der Reformation zu spiegeln, das jedoch nicht mit der konfessionellen Einzigkeit zu verwechseln war.

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